Du sitzt im Bus, das Handy in der einen, der Einkaufszettel in der anderen Hand. Zwischendurch ploppt eine Nachricht auf: „Kannst du heute Abend noch das Protokoll schicken?“ Während du versuchst, den Wocheneinkauf zu planen, denkst du gleichzeitig an das Gespräch mit der Kollegin, das dir noch im Magen liegt, und an den Kindergeburtstag am Wochenende, für den du noch keine Idee hast. Klingt vertraut?
Es gibt diese Tage – oder eher Wochen –, da fühlt sich der Kopf an wie ein überfüllter Schreibtisch. Nichts hat so richtig Platz, alles purzelt durcheinander. Der Wunsch nach einer Pause ist da, ganz laut sogar. Aber wie schafft man es, wirklich abzuschalten, ohne gleich eine Achtsamkeits-App zu starten oder sich stumm auf ein Meditationskissen zu setzen?
Genau hier kommt Kreativität ins Spiel.
Die Inhalte dieses Blogartikels
Der Wunsch nach einer Pause, aber wie?
Man weiß es ja eigentlich: Der Körper braucht Pausen. Der Kopf auch. Und trotzdem läuft alles weiter wie im Autopilot. Du denkst: „Ich gönn mir gleich eine Pause, nur noch schnell die Mails beantworten …“ Und zack ist eine Stunde vorbei. Die Pause? Abgehakt durch irgendein Scrollen auf dem Handy, aber wirklich erholt hast du dich nicht.
Achtsamkeit klingt in solchen Momenten wie ein schönes Konzept, aber oft auch wie ein weiterer Punkt auf der Liste der Dinge, die man „eigentlich mal machen sollte“. Dabei geht es gar nicht darum, still zu sitzen und den Atem zu zählen. Achtsamkeit bedeutet, ganz im Moment zu sein. Mit dem, was gerade ist. Und genau das gelingt oft viel leichter, wenn die Hände etwas tun.
Denn während du klebst, schneidest, zeichnest oder faltest, sortieren sich die Gedanken wie von selbst. Plötzlich zählt nicht mehr, was noch alles ansteht, sondern nur der nächste Papierschnitt, der nächste Pinselstrich.
Kreativität als Zugang zu Achtsamkeit
Viele denken bei Achtsamkeit an Ruhe, Stille und am besten eine Yogamatte im Sonnenuntergang. Aber was, wenn der Einstieg viel einfacher ist und sogar Spaß macht? Kreativität ist einer der leichtesten Wege, um ganz im Moment anzukommen.
Wenn du Kreativität und Achtsamkeit verbindest, entsteht ein Raum, in dem du dich spürst, ohne dich anstrengen zu müssen – ein Moment voller Präsenz.
Denn wenn du etwas mit den Händen machst, wird der Kopf automatisch ruhiger. Du konzentrierst dich auf das, was gerade vor dir liegt: das Papier, die Farben, die Schere. Du triffst kleine Entscheidungen: Welche Farbe nehme ich? Wo klebe ich das hin? und bist mit deiner Aufmerksamkeit ganz bei der Sache. Kein Multitasking, keine Bewertung. Nur du und dein Tun.
Dabei ist es völlig egal, ob am Ende ein Kunstwerk entsteht. Es geht nicht ums Ergebnis, sondern um das Gefühl mittendrin. Dieses Gefühl, wenn der Kopf langsam leiser wird und du dich selbst wieder spürst. So entsteht Achtsamkeit ganz nebenbei und zwar nicht durch Wollen, sondern durch Machen.
Was beim Kreativsein im Körper und Kopf passiert
Wenn du kreativ arbeitest, passiert im Hintergrund eine ganze Menge, auch wenn es sich erstmal „nur“ nach Basteln oder Malen anfühlt.
Dein Gehirn schaltet vom Denkmodus in den Erlebensmodus. Das bedeutet: Du analysierst und bewertest weniger, sondern nimmst mehr wahr. Deine Aufmerksamkeit richtet sich auf Farben, Formen, Bewegungen. Dein Atem wird ruhiger, dein Puls langsamer und das ganz ohne bewusste Anstrengung.
Du spürst: Es tut einfach gut. Dieses einfache Tun, bei dem nichts perfekt sein muss, gibt dir ein Gefühl von Leichtigkeit und innerer Ruhe. Es entsteht Raum im Kopf, im Körper, im Moment.
Auch spannend: Beim kreativen Arbeiten wird ein Bereich im Gehirn aktiv, den Forscher das Default Mode Network nennen. Es ist ein Netzwerk, das besonders dann „anspringt“, wenn du dich treiben lässt, in Gedanken bist oder ins Träumen kommst. Genau das unterstützt dich dabei, Erlebtes zu verarbeiten, neue Ideen zu entwickeln oder einfach zur Ruhe zu kommen. Kein Wunder also, dass du dich nach dem Basteln oft klarer fühlst oder einfach wohler in dir selbst.
Eine kleine Geschichte aus meinem Onlinekurs
Vor kurzem schrieb mir eine Teilnehmerin des Onlinekurses, nennen wir sie Juliane. In ihrer Nachricht stand: „Ich hab mich ehrlich gesagt ein paar Tage lang nicht getraut, loszulegen. Zu viel los, keine Zeit. Und dann hab ich mich abends einfach hingesetzt und plötzlich war ich ganz woanders.“
Sie erzählte, wie sie beim Papierschneiden plötzlich ruhiger wurde. Wie das Gedankenchaos im Kopf langsam leiser wurde, während ihre Hände beschäftigt waren. Kein großer Aufwand, keine perfekten Materialien. Es gab nur sie, ein Tisch, ein bisschen Papier und eine halbe Stunde für sich selbst.
Am Ende schrieb sie: „Ich hätte nie gedacht, dass mir das so gut tut. Es war wie ein Kurzurlaub im Alltag.“
Solche Rückmeldungen zeigen mir immer wieder: Kreatives Tun wirkt. Nicht, weil man besonders begabt sein muss, sondern weil man sich selbst dabei wieder begegnet – ganz still, ganz echt.
So kannst du Achtsamkeit durch Kreativität in deinen Alltag bringen
Du brauchst keinen Bastelschrank voller Spezialmaterialien. Auch keinen ganzen Nachmittag Zeit. Was du brauchst, ist ein Anfang und ein bisschen Raum für dich.
Hier ein paar Ideen, wie du kreativ und achtsam ganz ohne Druck durchstarten kannst:
- Plane dir bewusst kleine Kreativinseln ein. 15 oder 20 Minuten reichen oft schon. Stell dir einen Timer, schalte dein Handy auf lautlos und nimm dir diese Zeit nur für dich.
- Leg dir eine kleine „Kreativbox“ zurecht. Ein paar Bögen Papier, Schere, Kleber, vielleicht ein paar Stifte – alles griffbereit in einer Kiste oder Schublade. So entfällt das ewige Suchen.
- Mach dir klar: Es geht nicht ums Ergebnis. Du musst nichts „Schönes“ produzieren. Es geht darum, wie es dir beim Tun geht. Dein Bastelprojekt muss nicht perfekt sein, um dir gutzutun.
- Fang klein an und erlaube dir Pausen. Du musst nichts zu Ende bringen. Manchmal reicht schon ein Anfang, ein einzelner Schritt, ein bisschen Schnipseln zwischendurch. Achtsamkeit entsteht im Tun, nicht im Fertigwerden.
- Erlaube dir, zu spielen. Erwachsene „dürfen“ das auch. Einfach ausprobieren, falten, kleben, verwerfen, neu anfangen. Das ist kein Wettbewerb. Das ist deine Zeit.
Kreativität ist kein Luxus. Sie ist eine Einladung, wieder bei dir selbst mitten im Alltag anzukommen.
Ein letzter Gedanke zum Mitnehmen
Wenn dein Kopf mal wieder voll ist und du das Gefühl hast, dass alles zu viel wird, dann denk daran: Du musst nicht gleich alles ändern. Manchmal reicht ein kleiner Schritt.
Kreatives Tun kann genau so ein Moment sein. Kein Ziel, kein Perfektionismus, sondern nur du, deine Hände und das, was gerade entsteht.
Genau darin liegt die Kraft, wenn wir Kreativität und Achtsamkeit verbinden. Wir steigen aus dem Funktionieren aus und landen bei uns selbst.
Und ganz ehrlich: Es ist nötig, sich diese Zeit zu nehmen. In einer Welt, die ständig nach schneller, höher, weiter ruft, ist einfach machen ein leiser, aber kraftvoller Gegenentwurf.
Also: Gönn dir diesen stillen Protest. Greif zur Schere, zum Stift oder zum Papier und finde zurück zu dir.

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Liebe Dana,
vielen Dank für deinen tollen Artikel. Ich kann dir nur aus ganzem Herzen zustimmen. Ich habe nach über 20 Jahren meine alte Begeisterung für das Malen wieder entdeckt und dadurch auch ein Stückchen weit mich selbst wieder gefunden. Wenn ich einen Pinsel in die Hand nehme und Farben aufs Papier bringe, dann komme ich ganz schnell in einen Flow. Die Zeit verfliegt nur so. Aber anders als beim Daddeln am PC, fühlt man sich hinterher komplett erholt und entspannt.
Seelenbunte Grüße
Sonja
Liebe Sonja,
wie schön, dass du deine Freude am Malen wiedergefunden hast – und dich selbst gleich ein Stück mit dazu! 😊 Es klingt toll, wie sehr du im kreativen Flow aufblühst.
Danke fürs Teilen!
Liebe Grüße
Dana